29 Scharfe Kurven und Streifendesign

Vor Kurzem habe ich gebildete Menschen gehört, die sich einig waren, dass dieser Klimawandel zwar existiert, aber nicht gefährlich sei.

“A so a Bledsinn! Klimawandel hot’s imma scho gebm.”

Jmd. der gerne Auto fährt (Der Redaktion bekannt)

Das ist ein sogenanntes Zombie-Argument, denn es ist nicht tot zu kriegen. Ja, Klimawandel gab es immer schon, aber der Faktor Zeit war ein anderer. In der Geschichte des Planeten Erde spielten sich die Phasen, mit sich änderndem Klima, in Millionen-Jahre-Zeiträumen ab. Unsere Klimaveränderung, von Menschen gemacht, kann man grob von 1850 bis jetzt festmachen. Die Dampfmaschine hat die Entwicklung angestoßen und der Verbrennungsmotor hat sie extrem vorangetrieben. Hier kannst du dir das vor Augen führen.

Hast du bemerkt, was sich ändert? Wenn nicht, dann schau noch einmal!

Falls du zu faul warst den Link zu klicken, siehst du es vielleicht auch hier. Eruption bezeichnet im Bild Vulkanausbrüche, die Asche und andere Materialien in die Atmosphäre schleuderten, welche die Sonnenstrahlen nicht durchließen bzw. reflektierten. Dadurch wurde es zeitweise kälter auf der Erde.

Änderung der Durchschnittstemperatur mit Ausgangspunkt im Jahre 0. Quelle: climate lab book

Spätestens jetzt hast du es gesehen. Innerhalb dieses 2000-Jahre-Fensters hat sich die Temperatur in nur ganz kurzer Zeit extrem verändert. Suche das Wort “steam engine”!

Und wie schaut das jetzt bei uns in Österreich aus. Wenn es bei uns heiß ist gehen wir ins Bad oder noch besser zum Heurigen, falls man im Großraum Wien lebt. Auch hier habe ich eine Grafik gefunden.

Durchschnittstemperatur Wien
Durchschnittstemperaturen auf der Hohen Warte. Der rote Strich filtert die Spitzen heraus und zeigt somit den “wahren Kern” der Kurve.

Wenn ich mir die Kurve so anschaue und den Konnex mit dem Heurigen herstelle, muss ich einen berühmten Wiener zitieren.

“Man bringe den Spritzwein!”

Dr. Michael Häupl, Bürgermeister von Wien von 1994 bis 2018

Wer mit Zick-Zack-Linien nichts anfangen kann, tut sich mit Farben vielleicht leichter.

Jahres-Durchschnitts-Temperaturen von 1775 – 2017 von 7,5° C (dunkelblau) bis 12.0° C (dunkelrot) Quelle: climate lab book

Zum Schluss noch eine andere Messstation: das Sonnblick-Observatorium

Durchschnittstemperatur Sonnblick
Siehe Bild oben

Was die wenigsten wissen: das Observatorium musste schon vor geraumer Zeit saniert werden. Durch die steigenden Temperaturen drohte es abzustürzen. Das Permaeis ist wie der Kitt zwischen den Felsen. Schmilzt es dringt Wasser ein und es kommt zu Felsstürzen. Infos zur Sanierung findest du hier.

Vielleicht sollte man die Zombies dort lassen, wo sie hingehören: ins Kino!

28 Überraschung! Tröööt!

Ich verfolge die Infos über den Energiesektor schon länger und wurde Jahrzehnte lange mit diesen Infos gefüttert:


“Fernwärme ist super, weil die kommt vom verbrannten Müll.”

Überraschung Nummero 1:
Nur 40% der Fernwärme kommt von der Müllverbrennungsanlage, industrieller Abwärme und Biogas. Der Hauptteil wird mit KWK-Anlagen produziert (Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen = Strom und Wärme werden gleichzeitig produziert), die mit Erdgas betrieben werden. Quelle: derstandard.at. Na klar muss dann Fernwärme teurer werden, wenn der Erdgaspreis steigt.

“Rund 70 % unseres Energiebedarfes kommt aus der Wasserkraft.”

Überraschung Nummer 2:
In der Beilage “Zukunft” vom Kurier in der Printausgabe vom 14.06.2022 war ein Beitrag über den Energiemix drinnen. Die Daten stammen von der Österreichischen Energieagentur, dem BMK und von Eurostat. Ich habe das Diagramm nachgebaut und euch die Zahlen dazu gegeben.

Diagramm Bruttoenergieverbrauch in Ö 2020
Diagramm Bruttoenergieverbrauch in Ö 2020
Bruttoenergieverbrauch in Ö nach Energiequellen 2020
Bruttoenergieverbrauch in Ö 2020 in Prozent

Egal wie ich die Zahlen schönrechne, ich komme auf maximal 32% (von den erneuerbaren Energiequellen). Erschreckend ist auch der riesige Anteil von fossilen Brennstoffen: 64,4% der gesamten Bruttoenergiemenge – falls diese Zahlen stimmen. Du weißt ja, Statistik und so.

Abgewandelt fällt mir eine Wahlwerbung von früher ein: “Man hat euch nicht belogen!” Im Original hieß es ER, und er hat euch belogen – aber so was von. Allerdings wurde die Verhandlung ans Jüngste Gericht übertragen.

Wir, die Bürger:innen, Kund:innen etc. müssen allen involvierten Institutionen und Entscheidungsträger:innen auf die Finger schauen. Das gehört zu einer funktionierenden Demokratie dazu, aber nur beschweren und nichts machen, ist zu wenig.

Genau jetzt ist die Zeit sich von den fossilen Energieträger zu verabschieden, außerdem können wir sie uns ohnehin bald nicht mehr leisten. Erneuerbare Energie hat vielleicht hohe Anschaffungskosten, aber Sonne und Wind kosten nichts, und daher ist der Strom auf Dauer wesentlich günstiger.

27 Oh Herr gib mir…

die Weisheit und lasse mich mein Fahrverhalten überprüfen. Warum zwingt mich Belzebub alles mit dem Auto zu fahren? Habe ich doch als Kind den Umgang mit dem Fahrrad gelernt. Mehr als zehn Paar Schuhe stehen in meinem Kasten, aber zum Gehen benutze ich sie nicht. Warum, oh Herr, bin ich so X? (Für das X kannst du jetzt nach Lust und Laune ein Eigenschaftswort einfügen. Es böten sich an: schön, gescheit, deppert, faul… Mehrfachnennungen sind möglich.)

Allerdings muss jede Person seine eigene Situation analysieren. Ich kann das nicht. Aber es gibt auch den großen Unterschied zwischen nachdenken und den Wunsch, nach CO2-optimierten Transportverhalten, einfach vom Tisch wischen. Nicht nachdenken ist einfacher, denn es bringt keine alten Gewohnheiten durcheinander. Das finde ich persönlich wieder X. (Du kennst dich schon aus.)

Ich wohne im Speckgürtel von Wien und sehe einsame Menschen in übergewichtigen Autos. Meistens sitzt eine Person in einem Auto, das von Erwin Wurm designt sein könnte. Gerade in und um Wien gibt es die beste öffentliche Verkehrsanbindung Österreichs. Seit ca. 19 Jahre fahre ich nach Wien in die Arbeit. Der Wunsch nach einem Arbeitsplatz in der Nähe hat sich nie erfüllt. In diesen 19 Jahren habe ich eine Art Evolution an mir festgestellt. Zuerst bin ich mit dem Auto gefahren, denn alles andere war undenkbar. Dann fuhr ich motorisiert auf zwei Rädern. Ich war eigentlich nicht schneller, bescherte mir aber sehr seltsame und gefährliche Erlebnisse. Schließlich sickerte die Bedrohung durch den Klimawandel (Danke Al Gore!) soweit in mein Gehirn, dass ich mein Verhalten überdachte. Seither fahre ich mit der Badner Bahn, U6 und U3 und gehe insgesamt 20 Minuten zu Fuß. Alles andere ist undenkbar.

In den Öffies habe ich Zeit zu lesen, dank meiner Kopfhörer bemerke ich die Spezies Homo telefonicus gar nicht mehr. Ich muss vor allem nicht aufpassen, dass mich jemand rammen könnte oder ich jemand anders. Und das besonders betonenswerte ist, dass ich eigentlich nicht langsamer bin. Es gelang mir nur 3 Mal um 15 Minuten schneller in die Arbeit zu fahren. Das zahlt sich nicht aus. Den Stau zurück erwähne ich vielleicht sicherheitshalber.

Bei den Spritpreisen von rund 2 Euro bemerke ich allerdings nicht, dass die Menschen weniger fahren oder auf andere Verkehrsmittel umsteigen. Der Verstand sitzt wohl doch im Kopf und nicht in der Geldbörse.

26 Eine Frage des Blickwinkels

Im Moment drücken viele gestandene Persönlichkeiten in meinem Umfeld den Panikknopf. Die pointierteste Aussage war: “Ich will mein billiges, russisches Gas.” Auf den ersten Blick kommt das einer Gotteslästerung gleich (wenn man an diese Wesenheit glaubt), ABER aus Sicht eines Menschen, der seine Brötchen hart verdient, absolut verständlich.

Die einen sehen die Wirtschaft in die Krise schlittern, weil Österreich demnächst mit teurerem Öl und Gas aus Ländern versorgt wird, die viel netter zu ihren Mitmenschen sind. (sicherheitshalber: Achtung Polemik) Die Kassandras der Wirtschaft sehen schon den totalen Zusammenbruch – ich nicht. Natürlich wird es Schwierigkeiten geben und das Schlimmste werden die Spritpreise und die kommende Gasrechnungen sein. ABER es ist auch gleichzeitig eine ungeheure Chance, endlich die Wirtschaft und das Wohnen zu dekarbonisieren.

Jetzt ist DIE Gelegenheit seine eigenen Verhaltensweisen zu überdenken, und Geld zu sparen. Ja, Geld sparen!

Wie mache ich das? Ganz einfach, in dem man seine Verbrauchsgewohnheiten optimiert. Wichtig ist, sich zuerst vom üblichen Schema, zu verabschieden.

Beispiele gefällig?

“In meiner Wohnung muss es mindestens 23 °C haben, sonst fühle ich mich nicht wohl.”
Anstatt nur mit T-Shirt im Winter in der Wohnung zu sitzen, noch eine Weste oder Pulli anziehen und man kann die Temperatur auf Sage und Schreibe 20 °C senken. Es wird einem nämlich auch mit 23 ° kalt, wenn man die ganze Zeit nur herum sitzt. Die Muskelarbeit hält einen warm. Vorschlag: sitzende Tätigkeit mit Hausarbeit abwechseln. 1 °C gesenkte Temperatur = ungefähr 6 % weniger Heizkosten. In unserem Beispiel hätten wir 18 % eingespart. Da höre ich meine persönliche Registrierkassa klingeln.

“Ein Vollbad ist ein Muss.”
Manchmal schon, aber meistens nicht. Nicht zu heiß und kurz duschen, spart eine Menge Gas oder Strom.

“Lirum larum Löffelstiel …”
Gib bitte die Deckel auf die Töpfe – wenn es die Zubereitung erlaubt. Schon einen Druckkochtopf überlegt? Die Herdplatte vor Ende des Garvorgangs abdrehen, weil sie noch lange heiß bleibt. (Ich traue mich das nur deshalb sagen, weil ich selber koche. Mahlzeit!)

“Mir wird so heiß.” (Das hat echt nichts mit mir zu tun!)
Um Klimaanlagen wird man nicht herum kommen – über kurz oder lang. ABER zuerst sollte man sein Haus thermisch sanieren, denn das schützt auch vor Wärme im Sommer. Wer in einer Wohnung lebt, sollte sich mit den Hausbewohnern und -eigentümer zusammensetzen und eine gemeinschaftliche Lösung finden. Ich weiß, das ist genau so utopisch, wie die kühlende Mobilklimanlage im Schlafzimmer. Echte Kühlung funktioniert nur mit fix montierten Split-Geräten. Alles andere verbraucht nur Unmengen an Strom und hilft wenig.

“Mein Handy muss immer voll geladen sein.”
Eigentlich verringert das die Lebensdauer des Akkus ungemein. Aufladen, Handy abstecken und dann das Ladegerät aus der Steckdose ziehen – oder eine Steckerleiste mit Schalter verwenden. Ladegeräte in der Steckdose ziehen auch ohne Handy Strom.

Die Liste kann ich noch verlängern und werde ich auch – aber später. Energiesparen war noch nie so hip wie jetzt. Aber so wie ich die Menschen kenne, haben sie die Tipps bis zur Heizsaison wieder vergessen.