75 Gretchen-Frage

Wer die Gretchen-Frage nicht kennt, kann bei Goethes Faust nachschauen, oder liest hier weiter.

“Und wie hältst du es mit der – räusper – Klimakrise?”

nicht ganz Goethe
Bild: Dream Arts und meine Wenigkeit

Eine Verhaltensweise unterscheidet uns sehr von anderen Tieren, abgesehen von der extremen Aggressivität und kollektiver Dummheit, wir sprechen – manchmal sogar miteinander. Wenn ich jemanden, inzwischen sehr subtil, zu einem Klima-Thema anspreche, beginnen sich die meisten sofort zu rechtfertigen. Das bedeutet, dass sie wissen, was Sache ist, aber die empfohlenen Verhaltensweisen bewusst ignorieren.

Ich kenne, die Situation des anderen nicht, hoffe jedoch, dass diese Person ihr Verhalten klimapositiv optimiert. Hoffen darf ich doch, oder?

Auch wenn du die Gretchen-Frage nicht stellen willst, kannst du und sollst du, über Teilaspekte des Klimawandels mit deinen Freund*innen reden. Was hältst du von PV-Anlagen? Konntest du deinen Gasverbrauch auch reduzieren? Fliegst du auch nicht mehr? Das funktioniert meist besser.

Unlängst glaubte ich, mich hätte der Blitz gestreift. Ein vernünftiger und gebildeter Mensch zweifelte an den wissenschaftlichen Beweisen der Klimakrise. Siehe auch 67. Tatsächlich half es, bereits vehement und mit Bezug auf den IPCC zu widersprechen. Es sind nicht immer die Worte selbst, sondern wie man es sagt. Traurig oder?

Lass dich nicht entmutigen! (Ich glaube, das habe ich gerade zu mir selbst gesagt.)

Sprichst du mit deinen Freund*innen über den Klimawandel?

33 Gedankenspiel

Stelle dir vor, eine Gruppe von Menschen wäre in einer Art Arena eingesperrt, umgeben von einer 5 m hohen Mauer. Dahinter wäre ein wahres Paradies. Sie wissen es aber nicht. Jeder der vor dieser Mauer stand, hat das Vorhaben darüber klettern zu wollen, wieder eingestellt. Unmöglich. Daher hat sich diese Person wieder seinem Leben innerhalb der Begrenzung zugewendet. Doch dann hat die Anzahl der Arena-Gefangen derart auf natürliche Weise zugenommen, dass alle einsehen mussten, dass ihre Nahrungsproduktion nicht mehr reichen wird. Was tun?

Manche haben versucht ihr Leben so weiter zu leben, als hätte sich nichts geändert. Manche haben versucht, ihre Nahrung zu rationieren und einige haben sich aus Mangel an positiver Perspektive selbst getötet. Ein paar Wenige haben andere um sich geschart und die Nahrung anderen Bewohnern gewaltsam weggenommen. Es wurden nur denen Nahrung gegeben, die einen Nutzen für diese Banden hatten. Sowohl die Suizide, wie die Verhungerten haben den Überlebenden kurzfristig geholfen. Aber es entwickelte sich ein dauerhafter Kriegszustand um Nahrung zwischen den Banden ohne Aussicht auf Veränderung.

Die naheliegenste Lösung, mit einer Zukunft für alle, wurde nicht einmal probiert, weil jeder einzelne die Antwort kannte. Über die Mauer klettern ist unmöglich.

Ja, für einen allein ist es auch unmöglich. Wenn sich die Menschen kooperativ verhalten hätten, wären sie auch über die Mauer gelangt. Damit hätten sich die Chancen zum Überleben extrem erhöht.

Die Entwicklung zu gewalttätigen Banden kommt meines Erachtens öfters vor. So etwas nennt man “Failed State”. Klassisches Beispiel dafür ist Somalia, wo Warlords, also Bandenführer, das Sagen haben.

Kommt dir dieses Gedankenspiel nicht irgendwie bekannt vor? Wir müssen auch das Unmögliche schaffen. Leider sind wir schon außerhalb der Mauer, tun aber alles, dass es so wird wie innerhalb.

Auch hier sehe ich die bestehende Energiekrise als Chance. Reden wir mit unseren Freunden darüber, wie wir Energie sparen. Wenn ihr mit dem Schimpfen über Gott und die Welt fertig seid, könnt ihr die konkreten Maßnahmen besprechen. Spartipps findest du im Beitrag 26. Gemeinsam geht alles besser. Versuch es!

27 Oh Herr gib mir…

die Weisheit und lasse mich mein Fahrverhalten überprüfen. Warum zwingt mich Belzebub alles mit dem Auto zu fahren? Habe ich doch als Kind den Umgang mit dem Fahrrad gelernt. Mehr als zehn Paar Schuhe stehen in meinem Kasten, aber zum Gehen benutze ich sie nicht. Warum, oh Herr, bin ich so X? (Für das X kannst du jetzt nach Lust und Laune ein Eigenschaftswort einfügen. Es böten sich an: schön, gescheit, deppert, faul… Mehrfachnennungen sind möglich.)

Allerdings muss jede Person seine eigene Situation analysieren. Ich kann das nicht. Aber es gibt auch den großen Unterschied zwischen nachdenken und den Wunsch, nach CO2-optimierten Transportverhalten, einfach vom Tisch wischen. Nicht nachdenken ist einfacher, denn es bringt keine alten Gewohnheiten durcheinander. Das finde ich persönlich wieder X. (Du kennst dich schon aus.)

Ich wohne im Speckgürtel von Wien und sehe einsame Menschen in übergewichtigen Autos. Meistens sitzt eine Person in einem Auto, das von Erwin Wurm designt sein könnte. Gerade in und um Wien gibt es die beste öffentliche Verkehrsanbindung Österreichs. Seit ca. 19 Jahre fahre ich nach Wien in die Arbeit. Der Wunsch nach einem Arbeitsplatz in der Nähe hat sich nie erfüllt. In diesen 19 Jahren habe ich eine Art Evolution an mir festgestellt. Zuerst bin ich mit dem Auto gefahren, denn alles andere war undenkbar. Dann fuhr ich motorisiert auf zwei Rädern. Ich war eigentlich nicht schneller, bescherte mir aber sehr seltsame und gefährliche Erlebnisse. Schließlich sickerte die Bedrohung durch den Klimawandel (Danke Al Gore!) soweit in mein Gehirn, dass ich mein Verhalten überdachte. Seither fahre ich mit der Badner Bahn, U6 und U3 und gehe insgesamt 20 Minuten zu Fuß. Alles andere ist undenkbar.

In den Öffies habe ich Zeit zu lesen, dank meiner Kopfhörer bemerke ich die Spezies Homo telefonicus gar nicht mehr. Ich muss vor allem nicht aufpassen, dass mich jemand rammen könnte oder ich jemand anders. Und das besonders betonenswerte ist, dass ich eigentlich nicht langsamer bin. Es gelang mir nur 3 Mal um 15 Minuten schneller in die Arbeit zu fahren. Das zahlt sich nicht aus. Den Stau zurück erwähne ich vielleicht sicherheitshalber.

Bei den Spritpreisen von rund 2 Euro bemerke ich allerdings nicht, dass die Menschen weniger fahren oder auf andere Verkehrsmittel umsteigen. Der Verstand sitzt wohl doch im Kopf und nicht in der Geldbörse.

16 Was der Frosch und der Mensch gemeinsam haben

Ich habe gerade eine Doku gesehen, die ich dir ans Herz legen möchte. Allerdings musst du dich beeilen, denn sie ist nur mehr bis 10.05.2022 auf ARTE verfügbar.

Mich quält schon lange ein Gedanke. Warum ändern wir unser Verhalten nicht, wenn wir wissen, dass wir uns dabei selbst auslöschen können? Mag übertrieben klingen, ist es auf lange Sicht aber nicht. Diese Doku, den Link findest du unten, hat endlich ein paar Antworten geliefert. Die psychologische Seite des Klimawandels wurde bisher vernachlässigt. Anscheinend hoffen wir immer noch auf den Techniker als Erlöser. Der nächste Messias ist anscheinend Ingenieur.

Wir können, wenn wir wollen, aber wir tun es nicht. Ich bin überzeugt davon, dass Menschen erst dann gegen den Klimawandel etwas tun, wenn sie sich ausreichend damit beschäftigt haben, denn dann kann eine Motivation von Innen entstehen.

Was der Frosch und der Mensch gemeinsam haben findest du hier:

Klimawandel und Vogel-Strauß-Taktik: Wie wir uns selbst betrügen

5 Schlechtes Gewissen? Falsch!

Ein schlechtes Gewissen hilft uns nicht weiter, genau so wenig wie Angststarre. Erst wenn wir einigermaßen verstehen, wie es zum Klimawandel und den drohenden Katastrophen kommt, kann man seine eigenen Entscheidungen überprüfen. Ist Produkt A oder B besser? Welches hat weniger Kohlendioxid ausgestoßen, bis es bei mir angelangt ist? Brauche ich tatsächlich eines dieser Produkte? Solche Fragen kommen dann nicht mehr von außen, sondern entstehen aus uns selbst. Ich muss nicht irgendetwas tun oder lassen, sondern ich will – für mich ein riesengroßer Unterschied. Im Entferntesten erinnert es mich an Diät und warum sie meistens scheitern.

Das ist meine eigene Meinung. Dr. Michael Huppertz hat in einem Interview noch andere interessante Aspekte angeführt.

2 Status quo 2022

Im Moment kommt es mir so vor: die klassische Bilderbuchfamilie mit 2 Kindern, fährt auf der Autobahn mit ihrem glänzenden SUV 200 km/h. Die Kinder bekommen nichts mit, weil sie in ihre Socialmedia-Welten versunken sind. Die Eltern sind stolz auf das, was sie alles (an)geschafft haben und nach Außen präsentieren können. Es taucht ein Warnzeichen vor ihnen auf: “in 1000 m Straße gesperrt! Brückeneinsturz!” Es geht nicht weiter. Der Lenker fährt weiter wie gehabt. Ein zweites Warnzeichen: “in 500 m Straße gesperrt! Brückeneinsturz! Tödliche Gefahr!” Es geht unverändert weiter. Drittes und letztes Warnzeichen: “Stop! in 100 m Brückeneinsturz! Lebensgefahr!” Die Straße ist auch mit blinkenden Warntafeln versehen. Die Frau sagt schließlich etwas nervös zu ihrem Mann am Steuer: “Schatzi, da vorne ist die Straße zu Ende. Da geht es nicht weiter. Willst du nicht bremsen? ” Worauf das Auto tatsächlich etwas langsamer wird und der Fahrer antwortet: “Ich fahr eh nur mehr 190.”

Wie das ausgeht, ist leicht vorstellbar.