69 Wir können auch anders

Eine Umwelt-Serie des ARD heißt “Wir können auch anders”. Die Kritik der Welt ist nicht besonders – besonders gut nämlich. Die Zeit stößt in ein anderes Horn, doch der Ton ist ähnlich. In dem Artikel mokiert man sich darüber, dass der Ernst der Lage weggelächelt wird und wenn man ein paar Pflänzchen selber zieht ist alles wieder gut. Ja stimmt, aber aus meiner eigenen Sicht der Dinge bin ich froh, wenn dieses Thema nett und lustig rüberkommt. Ich mag die Serie. Es ist nämlich verdammt frustrierend, wenn man Tag täglich bemerkt, dass das Wissen um die kommende Katastrophe bei den Menschen immer noch nicht angekommen ist. Früher hätte ich noch geschrieben: “die drohende Katastrophe”, aber über dieses Stadium bin ich schon hinaus. Die Menschen schauen weg wenn es unangenehm für sie wird, da kommt man mit ein paar Jokes vielleicht weiter.

Die Lobbyisten der Öl-Firmen und Autohersteller konnten sich mit den E-Fuels wieder durchsetzen. Der ineffizienteste Treibstoff für Autos hat gewonnen (siehe auch 67 unten). Die Ölfirmen können ihr Tankstellennetz weiter verwenden, greifen ordentlich Subventionen ab, die für wichtigere Projekte dann fehlen, aber die lärmstarken, alten Männer mit “Hydraulikproblemen” in ihren teuren Angeberautos freuen sich schon. Möglicherweise wird es aber auch ein veritabler Bauchfleck, wenn Otto und Ottilie Normalverbraucher sich diese E-Fuels nicht leisten können. “Der Markt wird es schon regulieren”, sagt mein Manager-Freund. Das könnte ja auch einmal für die gute Sache funktionieren.

Studie des VDE

Hier der versprochene Link zu einem Video, der die Problematik der E-Fuels erklärt: Doktor Whatson

Zurück zu “Wir können auch anders”. Das manchen Menschen sehr wohl bewusst ist, was auf uns zu kommt, und dafür bedroht werden ist die andere Seite der Medaille. Der Vizebürgermeister von Gent, Filip Watteeuw, bekam Todesdrohungen und hat sechs Wochen Polizeischutz erhalten. Sie haben die Umstellung auf autofreie Innenstadt zwei Jahre lang diskutiert und an einem Wochenende umgesetzt. Eine zeitlang später bekam er Dankschreiben von den Bürger*innen. Gerade was in Städten verkehrstechnisch möglich ist, finde ich betrachtenswert.

Ich habe auch zwei gute Beispiele für “Wir können auch anders”. In der Freizeit-Beilage des Kuriers wurden unlängst die Gemüsegärnterei Krautwerk erwähnt. Saskia Dietz und Robert Brodnjak arbeiten nach der Market-Gardening-Methode. Sie ernten 3 – 4 Mal pro Jahr, das Gemüse hat die Bio-Qualität, die von Nobelgastronom*innen gerne in Anspruch genommen wird. Das Wunderbare an der Story ist aber, dass sie sich auf 1 ha verkleinert haben, sich 6 Vollzeitmitarbeitern*innen leisten können und pro Jahr mindestens € 70.000,- erwirtschaften. Der Ertrag für konventionellen Weizenanbau wird mit € 700,- pro Hektar angegeben. Man findet sie am Samstag zwischen 7:00 und 13:00 am Karmelitermarkt oder du schaust auf ihre Seite, die leider nur eine Facebook-Seite ist. Da wäre noch Luft nach oben.

krautwerk.at

Beispiel Nummer 2 ist die Fleischloserei von Silke Bernhardt. Wenn man nicht ganz eingeschränkt im Essverhalten ist, Stichwort: “Schnitzel mit Pommes und Ketchup – the one and only”, dann kann man ja einmal etwas anderes probieren. Die abgebildeten fleischlosen Weißwürste schauen zum Beispiel sehr gut aus. Es gibt ein Geschäft in der Josefstädterstraße 47-49 und einen Online-Shop. Warum ist vegan gut für die Welt? Der größte Teil unserer Ackerfläche nimmt der Anbau von Tierfutter in Anspruch. Das ist so wie mit den E-Fuels. Wenn ich das Gemüse gleich selber esse, als es vorher an Tiere zu verfüttern, dann ist das sehr viel effizienter.

fleischloserei.at

Vielleicht fahren die meisten Städter*innen in Zukunft doch mit öffentlichen Verkehrsmitteln, weil sie besser, zuverlässiger und sicherer geworden sind und lassen das Auto mit E-Fuel einfach stehen oder noch besser, sie kaufen erst gar keines. Die Dinger kann man auch ausborgen.

Dann kann ich nur mehr sagen: “Take the A Train” (Jazz-Fans kennen sich aus)!

67 Erst kommt das Fressen, dann die Moral

Du kennst sicher diese fundamentale Erkenntnis Bertolt Brechts. Wenn man hungert überlegt man nicht lange, Hauptsache es kommt etwas in den Magen. Verstehe ich total. Aber gilt das auch für wohlgenährte Politiker?

Als Gif noch witziger

Erst kommt das Fressen …

Nach vielen positiven Rückmeldungen über die Lieferantenliste, habe ich mir gedacht, ich stelle sie dir dauerhaft zur Verfügung und ergänze sie, wenn ich etwas Neues weiß oder noch besser, wenn du einen neuen Lieferanten kennst. Schreib mir einfach ein Kommentar oder eine Mail mit Link und ich setzte ihn auf die Liste. Du findest sie im Menü Infothek unter Gute Lieferant*innen.

Neu dabei:

Biogemüse Hopf (Haringsee) liefert nach Wien
nackad.at Lieferung in Mehrwegverpackung Wien
Zotter-Schokolade und
die Liste von Nunu Kaller

… dann die Moral

In der Rede unseres Bundeskanzlers Nehammer konnte ich Moral leider nicht erkennen. Auch er hat sich auf das zukünftige große Fressen vorbereitet, in dem er rückwärtsgewandt der FPÖ-Wählerschaft den Hof macht. Dabei ist der Klimawandel und der Umgang damit, eine höchst moralische Frage, wie es auch Al Gore in “Eine unbequeme Wahrheit” ausdrückt. Ich würde mir nach ca. 30 Jahren Urnengang endlich Politiker*innen wünschen, die auf Problemlösung fokussiert sind und nicht auf die nächste Wahl.

Wir müssen aus dem Verwenden von Erdöl raus. Das ist eigentlich jedem klar. Wir verbrauchen weltweit pro Sekunde ungefähr 171.000 Liter (Kurier, 12.03.2023). Den Verbrennungsmotor mit synthetischen Kraftstoff betreiben klingt eigentlich logisch. Das Problem jedoch ist, dass man zuerst Wasserstoff erzeugen muss. Dazu braucht man viel Strom, der hoffentlich grün erzeugt wurde. Dann holen wir aus der Atmosphäre das Kohlendioxid, was wieder sehr energieaufwändig ist und dann verbraucht das Verfahren zur Synthetisierung des Kraftstoffs noch einmal eine große Menge Energie. Wenn die verwendete Energie aus erneuerbaren Quellen stammt, dann ist das zwar CO2-neutral, aber sinnlos – vor allem für Autos. Für Langstreckenflüge oder große Schiffe ist es eine Lösung, für PKWs aber nicht. Denn ich kann mit der gleichen Menge Strom (zB. ein Windkraftwerk 3MW 200h/Jahr) entweder 1600 E-Autos mit einer Laufleistung von 20.000 km/Jahr betreiben, aber nur 250 mit synthetischen Kraftstoff (Studie des VDE 2021). Diesen haben die Nazis auch schon mit der gleiche Methode (Fischer-Tropsch-Verfahren) hergestellt. Was soll daran innovativ und modern sein, Herr Nehammer?

In einem Tweet von Reinhard Steurer (@ReiSteurer) ist herausgekommen, dass sich unser Bundeskanzler für seine Rede inhaltlich auf ein Buch stützt: “Apokalypse niemals”. Der Autor, Michael Shellenberger, zählt zu den Klimaleugnern. Da bleibt ein flaues Gefühl im Magen, wenn unsere Regierung die Wissenschaft negiert.

Angenommen es fände sich eine neue Gruppe aus Expert*innen, die sich zur Wahl aufstellen ließen und die von vornherein sagen, dass sie nur mit absoluter Mehrheit Politik betreiben und es ihnen tatsächlich egal wäre, wenn sie wiedergewählt würden. Hätten sie eine Chance? Ich denke – ja.

Jedes Staatsvolk bekommt die Politiker*innen das es verdient. Moral ist auch an der Wahlurne gefragt.